BASILIKATA & KALABRIEN
Wir bewegen uns nun tendentiell Richtung Stiefelspitze. Zwar sind die hiesigen Bergregionen unglaublich interessant, aber zu dieser Jahreszeit leider wenig attraktiv, also wird die Küste unser Schwerpunkt sein. Mit einer Ausnahme: Pisticci. Nicht eigentlich der Ort (wir sind durch die Zeit in Apulien noch etwas Stadt-gesättigt), sondern die Landschaft drumherum, die sogenannten Calanchi (Mondlandschaft auf deutsch). Das ist sensationell anzuschauen und würde man in Italien ja doch eher nicht vermuten. Unser Übernachtungsplatz soll das kleine Freilufttheater „Teatro dei Calanchi“ inmitten der Hügel sein und wir nähern uns ihm von Nordwesten aus, haben nach Verlassen der SS176 unmittelbar Piste unter den Rädern. Wir dürfen etwas gespannt sein, wie sich der Weg nach dem ausgiebigen Regen gestaltet, und ob er insgesamt breit genug sein wird. Aber alles gut und easy am Ende, wir genießen eine Nacht fernab aller städtischen Lichter und Geräusche in herrlicher Einsamkeit. Beobachten einen Fuchs, scheuchen diverse Eidechsen auf, hin und wieder macht sich eine Kuh durch Glockengebimmel an den umliegenden Hängen bemerkbar und nur sehr selten kommt ein Fahrzeug durch, zumeist Bauern aus der Gegend.
Da kein weiterer Regen zu erwarten ist, können wir am nächsten Tag getrost auch den Rest der Piste gen Südosten hin zur Küstenstraße in Angriff nehmen. Läuft anfangs gut, dann aber wird der Untergrund löchrig und Matschkuhlen reihen sich aneinander, Tiefen und Untiefen. Was unter die Räder kommt, erkennt man leider immer erst, wenn man plötzlich absackt oder ausnahmsweise nicht. Heftig jedenfalls und wir leiden mit dem Auto mit bei jedem Schlag und Schepperer. Irgendwann, es zieht sich natürlich ewig in die Länge bei dem unvermeidlichen Schneckentempo, erreichen wir die nächste SS und checken erst einmal den Fahrzeugzustand. Paßt gottseidank, nur die frisch erworbene Schlammkruste reicht fast bis rauf zum Dach.
Nächster Stop und Belohnung für all die Mühen dann: einsamer Sandstrand nahe der Laghi di Sibari. Wir sind also bereits in Kalabrien gelandet.
Der Platz ist so perfekt, daß wir beschließen, ein paar Nächte zu bleiben. Ab und zu sind Fischer in der Nähe, ansonsten bietet nur ein Bagger Unterhaltung, der mühsam darum kämpft, die Einfahrt zum Yachthafen um die Ecke freizubuddeln.
Dann wieder kompletter Szenenwechsel. Quer durch’s Landesinnere geht es zur Küste des Thyrrenischen Meeres auf der anderen Stiefelseite mit Übernachtungsstop in Cosenza, der Hauptstadt Kalabriens. Im Vergleich zu den weiß strahlenden Dörfern und herrlichen Barockstädten in Apulien zuletzt ist das hier eher ein finsterer Ort. Wir schlendern eine Weile durch das Centro Storico und betrachten das „morbide Gesamtkunstwerk“, wie es im Reiseführer hieß. Es ist sehr wenig Kunstwerk, dafür sehr morbide. Die Häuserschluchten sind tief und dunkel und so eng, daß wir uns über die vereinzelten Autos in den Gassen wundern. Wie kommen die da rein? Und vor allem, wenn defekt, wie wieder raus? Abschleppen geht aus Platzgründen keinesfalls, also bleiben sie entweder für ewig oder gehen in Einzelteilen am Ende. Die Häuser wirken teils völlig verlassen, sind verriegelt und verrammelt. Die wenigen bewohnten Gebäude wirken verwahrlost. In einer Häuserlücke hat sich eine stinkende Müllhalde XXL gebildet. Die Lebensverhältnisse sind extrem unschön und uns in dieser Weise sicher noch nirgendwo anders in Europa begegnet. Beschämt hören wir auch irgendwann zu fotografieren auf, ein wahrlich trauriger Anblick.
Wir übernachten am Rande der Stadt und ziehen dann schleunigst weiter. Die Küste runter, das Wetter immer im Blick, denn die Aussichten verschlechtern sich schon wieder zusehends.
Aber einen Sonnentag haben wir noch! Den nutzen wir von unserem nächsten Übernachtungspunkt im kleinen feinen Ort Pizzo aus für einen Mopedausflug nach Tropea.
Nach der Rückkehr schaffen wir es gerade noch so, uns auch in Pizzo etwas umzusehen, bevor das Wetter umschlägt. Das Städtchen ist während der Saison sicher ein guter Tip für Urlauber, wenn man sich nicht mitten ins Gewühl der bekannteren Orte in der Nähe stürzen will. Uns hat es jedenfalls ausgesprochen gefallen hier. Es gibt eine Felsenkirche direkt am Strand und der Zufall will es, daß ein Fischer in der Nähe ist, den Schlüssel und die Zeit hat, uns die Tür zu öffnen. Einst von gestrandeten Seeleuten nach einem Schiffsuntergang gestiftet, wurde sie liebe- und kunstvoll gestaltet und ausstaffiert und wird nun als kleines Heiligtum gehütet. Sehr besonders!
Jetzt wird es aber dann doch zu unbehaglich, heißt Hagel, Starkregen, Gewitter über Tage. Auf Sizilien soll es wesentlich besser sein dagegen und so lautet der Beschluß: wir verabschieden uns von Kalabrien und damit Süditalien und setzen über.